Stetige Zufallsvariable
In diesem Kapitel schauen wir uns an, was eine stetige Zufallsvariable ist.
Erforderliches Vorwissen
Definition
Eine Zufallsvariable $X$
heißt stetig, wenn sie überabzählbar unendlich viele Werte annimmt.
$$ X := \text{„Gewicht einer zufällig ausgewählten Person“} $$
$\Rightarrow$
unendliche Wertemenge, die nicht abzählbar ist
$$ X := \text{„Geschwindigkeit eines an einer Radarkontrolle vorbeifahrenden Autos“} $$
$\Rightarrow$
unendliche Wertemenge, die nicht abzählbar ist
Entstehung
Stetige Zufallsvariablen entstehen meist durch einen Messvorgang.
Beim Messen von physikalischen Größen (wie Länge, Masse, Volumen, Temperatur, Zeit etc.) spielen viele kleine Störeinflüsse eine Rolle, die das Messergebnis mal etwas zu hoch, mal etwas zu niedrig ausfallen lassen. Unabhängig von der Messgenauigkeit kann eine stetige Zufallsvariable innerhalb eines Intervalls unendlich viele Werte annehmen.
Stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung
Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung gibt an, wie sich die Wahrscheinlichkeiten auf die möglichen Werte einer Zufallsvariable verteilen.
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer stetigen Zufallsvariable lässt sich beschreiben durch eine Dichtefunktion oder eine Verteilungsfunktion. Beide Funktionen enthalten die gleiche Information. Der Unterschied besteht lediglich in der Darstellung dieser Information.
Ein Zufallsgenerator erzeugt zufällig eine Zahl zwischen 2,5 und 4,5.
1) Dichtefunktion
$$ \begin{equation*} f(x) = \begin{cases} 0 & \text{für } x < 2{,}5 \\[5px] \frac{1}{2} & \text{für } 2{,}5 \le x \le 4{,}5 \\[5px] 0 & \text{für } x > 4{,}5 \end{cases} \end{equation*} $$
Merke: $f(x) \neq P(X = x)$
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine stetige Zufallsvariable $X$
einen bestimmten Wert $x$
annimmt, ist stets Null.
Folglich gilt: $P(X = x) = 0$
.
Aus der Dichtefunktion selbst lassen sich keine Wahrscheinlichkeiten ablesen. Die Dichtefunktion hat nur die Aufgabe, einen visuellen Eindruck der Verteilung zu vermitteln.
Bei stetigen Zufallsvariablen verwendet man deshalb zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten die entsprechende Verteilungsfunktion. Sie ergibt sich aus der Integration der Dichtefunktion:
$$ F(x) = P(X \le x) = \int_{-\infty}^{x} \! f(u) \, \textrm{d}u $$
Die Wahrscheinlichkeiten entsprechen also der jeweiligen Fläche unter dem Graphen der Dichtefunktion.
2) Verteilungsfunktion
$$ \begin{equation*} F(x) = \begin{cases} 0 & \text{für } x \le 2{,}5 \\[5px] \frac{1}{2}x-\frac{5}{4} & \text{für } 2{,}5 < x < 4{,}5 \\[5px] 1 & \text{für } x \geq 4{,}5 \end{cases} \end{equation*} $$
Merke: $F(x) = P(X \le x)$
Sowohl die Dichtefunktion als auch die Verteilungsfunktion beschreiben die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer stetigen Zufallsvariable vollständig. Häufig ist eine vollständige Beschreibung der Verteilung gar nicht notwendig: Um sich einen groben Überblick über eine Verteilung zu verschaffen, betrachtet man einige charakteristische Maßzahlen. Dazu zählen u. a. der Erwartungswert, die Varianz und die Standardabweichung.
Überblick
Entstehung | durch Messvorgang |
Beispiel | Gewicht einer zufällig ausgewählten Person |
Wahrscheinlichkeitsverteilung | |
- Dichtefunktion | |
- Verteilungsfunktion | |
Maßzahlen | |
- Erwartungswert | $$\mu_{X} = \textrm{E}(X) = \int_{-\infty}^{\infty} \! x \cdot f(x) \, \textrm{d}x$$ |
- Varianz | $$\sigma^2_{X} = \textrm{Var}(X) = \int_{-\infty}^{\infty} \! (x - \mu_{X})^2 \cdot f(x) \, \textrm{d}x$$ |
- Standardabweichung | $$\sigma_{X} = \sqrt{\textrm{Var}(X)}$$ |