Kathetensatz
In diesem Kapitel besprechen wir den Kathetensatz.
Erforderliches Vorwissen
Wiederholung: Rechtwinkliges Dreieck
Die Hypotenuse ist die längste Seite eines rechtwinkliges Dreiecks. Sie liegt stets gegenüber dem rechten Winkel.
Als Kathete bezeichnet man jede der beiden kürzeren Seiten des rechtwinkligen Dreiecks. Diese beiden Seiten bilden den rechten Winkel.
Die Ecken des Dreiecks werden mit Großbuchstaben ($A$
, $B$
, $C$
) gegen den Uhrzeigersinn beschriftet.
Die Seiten des Dreiecks werden mit Kleinbuchstaben ($a$
, $b$
, $c$
) beschriftet. Dabei liegt die Seite $a$
gegenüber dem Eckpunkt $A$
…
Die Winkel des Dreiecks werden mit griechischen Buchstaben beschriftet. Dabei befindet sich der Winkel $\alpha$
beim Eckpunkt $A$
…
Die Höhe $h$
des rechtwinkligen Dreiecks teilt die Hypotenuse $c$
in zwei Hypotenusenabschnitte.
Den Hypotenusenabschnitt unterhalb der Kathete $a$
bezeichnen wir mit $p$
.
Den Hypotenusenabschnitt unterhalb der Kathete $b$
bezeichnen wir mit $q$
.
Es gilt: $c = p + q$
.
Der Satz
Kathetensatz
$$ a^2 = c \cdot p $$
$$ b^2 = c \cdot q $$
In Worten: In einem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat über einer Kathete genauso groß wie das Rechteck, welches sich aus der Hypotenuse und dem anliegenden Hypotenusenabschnitt ergibt.
Veranschaulichung
Wir wissen bereits, dass es sich bei $a$
, $b$
und $c$
um die Seiten des Dreiecks handelt und $p$
und $q$
die Hypotenusenabschnitte sind. Doch wie kann man sich $a^2$
, $b^2$
, $c \cdot p$
oder $c \cdot q$
vorstellen?
In der 5. oder 6. Klasse hast du dich wahrscheinlich zum ersten Mal mit Flächen auseinandergesetzt. Schauen wir uns dazu ein kleines Beispiel an.
Von einer Länge zu einer Fläche
Wenn du auf einem karierten Blatt Papier ein Quadrat mit der Seitenlänge $4\ \textrm{cm}$
zeichnest, dann ist die umrandete Fläche $16\ \textrm{cm}^2$
groß.
Rechnerisch:
$$ 4\ \textrm{cm} \cdot 4\ \textrm{cm} = 16\ \textrm{cm}^2 $$
Mit diesem Wissen aus der Unterstufe können wir uns $a^2$
, $b^2$
, $c \cdot p$
oder $c \cdot q$
schon besser vorstellen.
$a^2$
und$b^2$
sind Quadrate mit den Seitenlängen$a$
bzw.$b$
.- Bei
$c \cdot p$
und$c \cdot q$
handelt es sich dagegen um Rechtecke.
In der folgenden Abbildung versuchen wir den Sachverhalt noch einmal bildlich darzustellen:
Laut dem Kathetensatz gilt:
$$ {\color{green}a^2} = {\color{green}c \cdot p} $$
$$ {\color{blue}b^2} = {\color{blue}c \cdot q} $$
Der Kathetensatz besagt, dass in einem rechtwinkligen Dreieck das Quadrat über einer Kathete ($a^2$
bzw. $b^2$
) genauso groß ist wie das Rechteck, welches sich aus der Hypotenuse $c$
und dem anliegenden Hypotenusenabschnitt ($p$
bzw. $q$
) ergibt.
Wenn du bis hierhin alles verstanden hast, dann denkst du dir wahrscheinlich gerade: Rechtecke, Quadrate, Dreiecke…alles schön und gut, aber was bringt mir der Kathetensatz?
.
Wie du im nächsten Abschnitt sehen wirst, gibt es zahlreiche Fragestellungen, bei denen sich der Kathetensatz als äußerst nützlich erweist.
Anwendungen
Katheten gesucht
Gegeben ist die Hypotenuse $c$
sowie der Hypotenusenabschnitt $p$
:
$$ c = 5 $$
$$ p = 3{,}2 $$
Gesucht ist die Länge der Katheten $a$
und $b$
.
Laut dem Kathetensatz gilt: $a^2 = c \cdot p$
.
Setzen wir $c = 5$
und $p = 3{,}2$
in die Formel ein, so erhalten wir:
$$ \begin{align*} a^2 &= 5 \cdot 3{,}2 \\[5px] &= 16 \end{align*} $$
Auflösen nach $a$
führt zu
$$ \begin{align*} a &= \sqrt{16} \\[5px] &= 4 \end{align*} $$
Damit haben wir die erste Kathete berechnet.
Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten, die zweite Kathete zu berechnen. Entweder wir greifen auf den Satz des Pythagoras zurück oder wir machen mit dem Kathetensatz weiter.
Variante 1 (Satz des Pythagoras)
Laut Pythagoras gilt: $a^2 + b^2 = c^2$
Setzen wir $a = 4$
und $c = 5$
in die Formel ein, so erhalten wir:
$$ 4^2 + b^2 = 5^2 $$
$$ 16 + b^2 = 25 $$
$$ b^2 = 25-16 $$
$$ b^2 = 9 $$
Auflösen nach $b$
führt zu
$$ \begin{align*} b &= \sqrt{9} \\[5px] &= 3 \end{align*} $$
Damit haben wir die zweite Kathete gefunden.
Variante 2 (Kathetensatz)
Bisher kennen wir $a$
, $c$
und $p$
. Gesucht ist die Kathete $b$
.
Dazu greifen wir auf die 2. Formel des Kathetensatzes zurück: $b^2 = c \cdot q$
.
In dieser Formel sind uns $b$
und $q$
noch nicht bekannt. $q$
lässt sich aber sehr leicht mit der Hilfe von $p$
berechnen, da bekanntlich gilt:
$c = p + q$
(die Hypotenuse setzt sich aus den Hypotenusenabschnitten zusammen)
$$ q = c - p = 5 - 3{,}2 = 1{,}8 $$
Setzen wir jetzt $c = 5$
und $q = 1{,}8$
in den Kathetensatz ein, so erhalten wir:
$$ \begin{align*} b^2 &= c \cdot q \\[5px] &= 5 \cdot 1{,}8 \\[5px] &= 9 \end{align*} $$
Auflösen nach $b$
führt zu
$$ \begin{align*} b &= \sqrt{9} \\[5px] &= 3 \end{align*} $$
Damit haben wir die zweite Kathete gefunden.
Handelt es sich um ein rechtwinkliges Dreieck?
Mithilfe des Kathetensatz können wir überprüfen, ob ein Dreieck rechtwinklig ist, ohne dabei auch nur einen einzigen Winkel zu messen. Dazu setzen wir die gegebenen Werte in die Formel ein und schauen uns an, was dabei herauskommt.
Von einem Dreieck kennen wir die Hypotenuse, eine Kathete sowie einen Hypotenusenabschnitt:
$$ c = 6 $$
$$ a = 4 $$
$$ p = 2 $$
Überprüfe mithilfe des Kathetensatzes, ob es sich um ein rechtwinkliges Dreieck handelt.
Wenn das Dreieck rechtwinklig ist, so gilt:
$$ a^2 = c \cdot p $$
$$ 4^2 = 6 \cdot 2 $$
$$ 16 = 12 $$
Da der Kathetensatz zu einem falschen Ergebnis führt, ist das Dreieck nicht rechtwinklig.
Von einem Dreieck kennen wir die Hypotenuse, eine Kathete sowie einen Hypotenusenabschnitt:
$$ c = 5 $$
$$ a = 4 $$
$$ p = 3{,}2 $$
Überprüfe mithilfe des Kathetensatzes, ob es sich um ein rechtwinkliges Dreieck handelt.
Wenn das Dreieck rechtwinklig ist, so gilt:
$$ a^2 = c \cdot p $$
$$ 4^2 = 5 \cdot 3{,}2 $$
$$ 16 = 16 $$
Da der Kathetensatz zu einem wahren Ergebnis führt, ist das Dreieck rechtwinklig.