Lagebeziehung: Windschiefe Geraden
In diesem Kapitel besprechen wir, wie man rechnerisch überprüft, ob es sich bei zwei Geraden um windschiefe Geraden handelt. Dabei sind die Geraden in Parameterform gegeben.
Erforderliches Vorwissen
Einordnung
Im dreidimensionalen Raum gibt es für zwei Geraden vier mögliche Lagen:
- Identische Geraden
- Echt parallele Geraden
- Windschiefe Geraden
- Sich schneidende Geraden
Bedingungen
Zwei Geraden sind windschief, wenn
- die Richtungsvektoren nicht kollinear (= Vielfache voneinander) sind und
- bei dem Versuch, einen Schnittpunkt zu berechnen, eine falsche Aussage entsteht
Beispiel
Gegeben sind die beiden Geraden
$$ g\colon\; \vec{x} = \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} + \lambda \cdot \begin{pmatrix} 2 \\ 2 \\ 1 \end{pmatrix} $$
$$ h\colon\; \vec{x} = \begin{pmatrix} 4 \\ 3 \\ 1 \end{pmatrix} + \mu \cdot \begin{pmatrix} 1 \\ -2 \\ 2 \end{pmatrix} $$
Gib die Lagebeziehung der Geraden an.
Richtungsvektoren auf Kollinearität prüfen
Im ersten Schritt untersuchen wir, ob die Richtungsvektoren der beiden Geraden kollinear, d. h. Vielfache voneinander, sind. Dazu überprüfen wir, ob es eine Zahl $r$
gibt, mit der multipliziert der Richtungsvektor der zweiten Gerade zum Richtungsvektor der ersten Gerade wird.
Ansatz: $\vec{u} = r \cdot \vec{v}$
$$ \begin{pmatrix} 2 \\ 2 \\ 1 \end{pmatrix} = r \cdot \begin{pmatrix} 1 \\ -2 \\ 2 \end{pmatrix} $$
Im Folgenden berechnen wir zeilenweise den Wert von $r$
:
$$ \begin{align*} 2 &= r \cdot 1 & & \Rightarrow & & r = 2 \\ 2 &= r \cdot (-2) & & \Rightarrow & & r = -1 \\ 1 &= r \cdot 2 & & \Rightarrow & & r = 0{,}5 \end{align*} $$
Wenn $r$
in allen Zeilen den gleichen Wert annimmt, sind die Richtungsvektoren kollinear. Das ist hier nicht der Fall! Folglich handelt es sich entweder um zwei sich schneidende Geraden oder um windschiefe Geraden. Um das herauszufinden, überprüfen wir rechnerisch, ob ein Schnittpunkt existiert.
Auf Schnittpunkt prüfen
Geradengleichungen gleichsetzen
$$ \vec{a} + \lambda \cdot \vec{u} = \vec{b} + \mu \cdot \vec{v} $$
$$ \begin{align*} 1 + 2\lambda &= 4 + \mu \tag{1. Zeile} \\ 2\lambda &= 3 - 2\mu \tag{2. Zeile} \\ 1 + \lambda &= 1 + 2\mu \tag{3. Zeile} \end{align*} $$
Parameter $\lambda$
und $\mu$
durch das Additionsverfahren berechnen
Zum Berechnen der beiden Parameter braucht man nur zwei Zeilen (2 Gleichungen mit 2 Unbekannten). Die verbleibende dritte Zeile dient im 3. Schritt dazu, die Existenz eines Schnittpunktes ggf. zu bestätigen.
Wir addieren die 2. mit der 3. Zeile, damit $\mu$
wegfällt…
$$ \begin{align*} 1 + 3\lambda = 4 & & \Rightarrow & & \lambda = 1 \end{align*} $$
…auf diese Weise können wir $\lambda$
berechnen.
Danach setzen wir $\lambda = 1$
in die 2. Zeile ein, um $\mu$
zu berechnen.
$$ \begin{align*} 2 = 3 - 2\mu & & \Rightarrow & & \mu = 0{,}5 \end{align*} $$
Berechnete Parameter in die verbleibende Gleichung einsetzen
Die beiden Parameter haben wir mithilfe der 2. und der 3. Zeile berechnet. Zur Überprüfung der Existenz eines Schnittpunktes bleibt demnach die 1. Zeile übrig. In diese setzen wir die berechneten Parameter ein.
$$ \begin{align*} 1 + 2 = 4 + 0{,}5 & & \Rightarrow & & 3 = 4{,}5 \end{align*} $$
Überprüfen, ob es sich um eine wahre oder eine falsche Aussage handelt
Da es sich in unserem Beispiel um eine falsche Aussage ($3 = 4{,}5$
) handelt, gibt es keinen Schnittpunkt. Somit sind die Geraden windschief.
Schnelltest
Sollst du nur herausfinden, ob zwei Geraden windschief sind oder nicht, eignet sich das Determinanten-Verfahren.
Zwei Geraden sind genau dann windschief, wenn sie nicht in einer Ebene liegen. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Determinante aus den beiden Richtungsvektoren sowie dem Aufpunkt-Verbindungsvektor ungleich Null ist.
Für windschiefe Geraden gilt:
$$ \det(\vec{u},\vec{v},\overrightarrow{AB}) \neq 0 $$
Identische, echt parallele oder sich schneidende Geraden liegen in einer Ebene, weshalb hier die Determinante gleich Null ist $\Rightarrow \det(\vec{u},\vec{v},\overrightarrow{AB}) = 0$
.
Gegeben sind die beiden Geraden
$$ g\colon\; \vec{x} = \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} + \lambda \cdot \begin{pmatrix} 2 \\ 2 \\ 1 \end{pmatrix} $$
$$ h\colon\; \vec{x} = \begin{pmatrix} 4 \\ 3 \\ 1 \end{pmatrix} + \mu \cdot \begin{pmatrix} 1 \\ -2 \\ 2 \end{pmatrix} $$
Überprüfe, ob die Geraden windschief sind.
Aufpunkt-Verbindungsvektor berechnen
$$ \overrightarrow{AB} = \vec{b} - \vec{a} = \begin{pmatrix} 4 \\ 3 \\ 1 \end{pmatrix} - \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} 3 \\ 3 \\ 0 \end{pmatrix} $$
Determinante berechnen
- Die erste Spalte der Determinante entspricht dem Richtungsvektor der Gerade
$g$
. - Die zweite Spalte entspricht dem Richtungsvektor der Gerade
$h$
. - Die dritte Spalte entspricht dem Verbindungsvektor der Aufpunkte beider Geraden.
$$ \det(\vec{u},\vec{v},\overrightarrow{AB}) = \begin{vmatrix} 2 & 1 & 3 \\ 2 & -2 & 3 \\ 1 & 2 & 0 \end{vmatrix} = 9 \neq 0 $$
Da die Determinante ungleich Null ist, handelt es sich um windschiefe Geraden.